Der Senat will auch Menschen mit geringem Einkommen das Wohnen in einer Genossenschaft ermöglichen. Darum gibt es das Förderprogramm “Erwerb von Anteilsscheinen”. Doch die Bedingungen für die Förderung sind so gestrickt, dass sie viele derjenigen aussschließt, die der Förderung besonders bedürften. Erst die Umstellung von der Kreditfinanzierung auf eine Solidarfonds-Finanzierung würde auch diesen Gruppen den Zugang zu genossenschaftlichem Wohnraum ermöglichen. Bestandsgenossenschaften haben günstige Nutzungsentgelte, hohe Rücklagen und schaffen kaum neuen Wohnraum, während junge Genossenschaften durch die hohen Bodenpreise und Baukosten Entgelte um die 12€/m² und mehr sowie Einlagen in fünfstelliger Höhe für den Bezug einer Wohnung verlangen müssen.
Aus diesem Grunde hat Berlin ein Förderprogramm zum Anteilserwerb aufgelegt. Es heißt dazu bei der Investitionsbank Berlin (IBB):
‚Berlin unterstützt Haushalte, die im Besitz eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) sind, beim erstmaligen Erwerb von Geschäftsanteilen an Wohnungsbaugenossenschaften durch zinslose Darlehen und Tilgungsverzichte.‘
Konkret wird dieses Programm durch vier Maßnahmen umgesetzt:
• zinsloses Darlehen in Höhe von bis zu 50.000 EUR je Haushalt
• Tilgungsverzicht in Höhe von 25 %
• für WBS-Inhaber, die Geschäftsanteile an Wohnungsbaugenossenschaften zur Selbstnutzung erstmalig erwerben
• Zinsbindung und Darlehenslaufzeit bis maximal 20 Jahre
Doch schon bald hat sich herausgestellt, dass das Förderprogramm völlig am tatsächlichen Bedarf vorbei geht. Von den eingereichten 36 Anträgen sind lediglich 12 Anträge bewilligt worden, wie die zuständige Senatsverwaltung in der Beantwortung einer Anfrage im Abgeordnetenhaus mitteilte. (Hier)
Eine niederschmetternde Bilanz. Was sind die Gründe?
Die eingereichten Anträge werden von der IBB geprüft wie ein Darlehensvertrag, mit den üblichen geforderten Sicherheiten. Das bedeutet, die Antragsstellenden müssen über ein Einkommen verfügen. Mit einem Einkommen kann aber auch problemlos die kfw-Genossenschaftsförderung beantragt werden. Die Förderung zum Anteilserwerb soll jedoch Haushalten mit WBS zugute kommen, die keine Chance auf kfw-Förderung haben. Das wird durch das aktuelle Finanzierungsmodell verhindert.
Darüber hinaus muss für die Beantragung ein zeitlich unbefristeter Aufenthaltstitel vorhanden sein, da die Rückzahlung der Förderung über einen Zeitraum von 20 Jahren angelegt ist.
Auch ältere Menschen über 60 sind von einem solchen Fördermodell ausgeschlossen, da diese Personengruppe in der Regel als nicht kreditwürdig eingestuft wird.
Diese Problematik ist der Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen seit langem bekannt und trotzdem wird der von verschiedenen sozial engagierten Genossenschaften geforderte Solidarfonds für Sozialwohnungen im genossenschaftlichen Neubau nicht realisiert. Ein solcher Solidarfonds wäre eine finanzielle Geldanlage des Senats, bei der es nicht um wirtschaftliche aber sehr wohl um eine soziale Rendite geht. Das Geld bleibt langfristig im Eigentum der Stadt und wird nicht solchen privaten Investoren in den Rachen geworfen, die das angehäufte Vermögen nach 20 Jahren mit dem Ende der Belegungsbindung privat abschöpfen.
Wir Genossenschafter*innen fordern, dass alle Genossenschaften auch Sozialwohnungen bauen und Nutzer:innen mit WBS aufnehmen. Dafür brauchen wir einen Solidarfonds zum Anteilserwerb, welcher durch einen genossenschaftlichen Beirat entwickelt und kontinuierlich begleitet wird.