Koalitionsvertrag: Weiter wie bisher – nur schlechter

Je tiefer man in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hineinschaut, desto schwärzer schaut es heraus. Das gilt auch für die Wohnungspolitik. An der Oberfläche wimmelt es von Versprechungen und ambitionierten Zielvorgaben. Neue Ideen, wie diese Ziele umgesetzt werden sollen, bleiben im Dunkeln. Die wären nötig, denn mit den bisherigen Ansätzen wurden die wohnungspolitischen Ziele bereits in den letzten Jahren weit verfehlt. Schwarzrot setzt nun auf die Förderung von Besserverdienenden und den Abbau von Beteiligungsrechten.

Die Neubauzahlen sind auf historischem Tiefstand – gerade auch bei Genossenschaften, geförderter Wohnungsbau findet nur noch durch die Kommunalen statt, denen allerdings – auch durch den überteuerten Kauf von 14.750 DW-Wohnungen – die Überschuldung droht. Das Wohnungsbündnis mit Wohnungsverbänden und Immobiliengesellschaften führte zu keinen verbindlichen Absprachen, und Konzepte für einen klimagerechten Umbau der Stadt sind nicht einmal in Ansätzen zu erkennen. Aber eines ist wie immer sicher in Berlin: die Mieten steigen. Und steigen. Und steigen.

Neu: Förderung von teurem Wohnraum

“Weiter wie bisher – nur schlechter” wäre eine passende Überschrift über diesen Koalitionsvertrag. Denn im “Kleingedruckten” finden sich Akzentverschiebungen, die nun gar nicht geeignet sind, preiswerten Wohnraum zu schaffen sondern eher Wohnraum für Besserverdienende. Geplant ist eine dritte Förderschiene, mit der auch Mieten von 10 bis 12 €/qm Nettomiete bezuschusst werden. Zu befürchten ist, dass diese Leistungen aus den Programmen für Haushalte mit geringem Einkommen genommen werden. Eine Umverteilung von Unten zur oberen Mitte – in diese Richtung gehen die Pläne bei der Neubauförderung. Die “mittelbare Belegung” soll ermöglichen, dass vom Land geförderter und mit Belegungs- und Mietpreisbindungen versehener neuer Wohnraum mit bereits bestehenden Wohnungen mit gleichem Wohnwert ‚verrechnet‘ werden kann. Auch das Eigenheim wird mehr gefördert. Bürgerbeteiligung wird „zur Verfahrensbeschleunigung“ abgebaut und selbst durch Volksentscheid legitimierte Eckpunkte wie die Nichtbebauung des Tempelhofer Feldes werden aufgeweicht.

Die Abkehr von einer schon bisher nicht allzu zukunftsgerechten Wohnungspolitik wird unterstrichen durch das Personal: Mit dem Regierenden Bürgermeister (er war in der Geschäftsleitung eines Bauunternehmens) sowie der Verkehrssenatorin (sie ist als Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. und, so der rbb, “Chef-Lobbyistin der Baubranche”) sitzen Personen mit besten Verbindungen zur Immobilienwirtschaft nun im Senat an den Hebeln.

Privatisierung von Boden wieder möglich

Genossenschaften finden wie immer eine lobende Erwähnung. Sie sollen einen Teil der (wenig vorhandenen) landeseigenen Grundstücke bekommen. Die Anteilsförderung durch die IBB wird aufgestockt, doch da die Förderbedingungen gleich bleiben, werden diejenigen weiterhin ausgeschlossen, die sie brauchen (siehe https://www.genossenschafter-innen.de/2023/02/05/ibb-genossenschaftsfoerderung-foerderung-von-anteilserwerb-laeuft-ins-leere/). Und, Zufall oder Programm, der/die im R2G-Vertrag noch aufgeführte, aber nie eingesetzte Genossenschaftsbeauftragte, wird nicht mehr erwähnt.

Eine gefährliche Rolle rückwärts gibt es beim Erbbaurecht. Bodenspekulation ist der größte Preistreiber beim Wohnen. Im Koalitionsvertrag von RGR hatte der Senat darum festgelegt, Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben. Dieser Grundsatz wird nun aufgeweicht – Genossenschaften sollen Grundstücke kaufen können. Das zielt wohl auf Genossenschaftsvorstände, die nicht unter Erbbaurecht bauen wollen, öffnet jedoch auch Missbrauch Tür und Tor (s. gesonderten Text). Genossenschaften werden zu Wegbereiterinnen für eine erneute Privatisierung von Grund und Boden.

Schwarz-Rot: Weiterbauen an der Stadt von Gestern

Wie schaffen wir es, die Stadt für Alle lebenswert zu halten? Eine Stadt, die sich auch untere Einkommensschichten leisten können. Eine Stadt, die auch im Sommer grün bleibt und nicht den Hitzekollaps erleidet. Eine Stadt, in der Bürgerinnen und Bürger über die Entwicklung ihrer Quartiere entscheiden und nicht Investmentfonds auf den Cayman-Inseln oder sonstwo.

Hier Antworten zu geben, wäre eine Wohnungspolitik mit neuen Leitlinien, die den sozialen und klimapolitischen Herausforderungen gerecht wird. Architekten, Umweltschützerinnen, Mieterverbände und andere zivilgesellschaftliche Gruppen weisen schon lange darauf hin, dass es nicht mehr um „Bauen-Bauen-Bauen“ gehen kann, sondern Bewahrung und Umbau im Mittelpunkt der Planungen (und Förderung) stehen müssen. Dies setzt ein Zurückdrängen der renditegetriebenen Immobilienwirtschaft ebenso voraus wie eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Von diesen Zielen ist die Wohnungspolitik in Berlin weiter entfernt denn je. Statt an einer Stadt der Zukunft wird weiterhin an der Stadt der Vergangenheit gebaut.

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