Genossenschaften werden immer wieder als wichtige Akteure der Wohnungspolitik benannt. Sie gelten als die Guten, vermieten günstig und halten ihre Bestände in Schuss. Im Großen und Ganzen mag das noch immer stimmen, aber die meisten Genossenschaften – und der Senat – verfolgen eine rückwärtsgewandte Politik. Wie die Antworten auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (GRÜNE) zum Stand der Genossenschaften in Berlin zeigen, passiert zu wenig beim geförderten Neubau und bei der Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen. Nur einzelne Genossenschaften – und davon ausschließlich kleine und junge Genossenschaften – nehmen Mittel zur Wohnungsbauförderung in Anspruch, die WBS-Berechtigten den Einzug ermöglichen.
Noch gravierender: Die Versuche, Geflüchteten und Transferleistungsbeziehenden ein dauerhaftes Wohnen in Genossenschaften zu ermöglichen, indem sie beim Erwerb von Anteilen unterstützt werden, scheitern gänzlich. Sie haben keine Förderung durch die IBB bekommen. Der Vorschlag, diese Regelungslücke im genossenschaftlichen Sozialen Wohnungsbau durch die Einrichtung eines Sondervermögens für Leistungsbeziehende zu schließen, fand bisher in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kein Gehör. Dabei liegt die Lösung nahe: Der Senat könnte einen Fonds für wohnungsbezogene Pflichtanteile für Leistungsbeziehende und Geflüchtete auflegen und damit den Zugang für diese Bedarfsgruppen ermöglichen. Genossenschaftsanteile würden über den Fonds erworben und Leistungsbeziehende und Geflüchtete könnten auch in Genossenschaften ein neues Zuhause finden.
Interessant ist auch, dass es seit 2021 keine Genossenschaftsbeauftragten des Landes Berlin mehr gibt. Obwohl der Senatsverwaltung für die Jahre 2024 und 2025 jeweils 100.000 € im Haushalt dafür zur Verfügung stehen, bleibt der Posten unbesetzt. Man stehe „in ständigem und vertrauensvollem Austausch mit den Berliner Genossenschaften und ihren Interessenvertretungen und ist stets für deren Anliegen ansprechbar.“ Das heißt übersetzt: Wer das Ohr des Senators hat, der wird gehört. Und das sind die Vorstände der Genossenschaften und hier v.a. der großen Bestandsgenossenschaften, die kein bzw. kaum Interesse am Sozialen Neubau in ihren Genossenschaften haben.
Die Genossenschaftsvorstände haben sich mittlerweile als wichtige Stütze für die verzagte und ungenügende schwarz-rote Stadtentwicklungspolitik herausgestellt: Die Vorstände haben die Genossenschaften in das Wohnungsbündnis geführt, das zwar der Stadt und ihren Bewohner*innen wenig bringt, aber Genossenschaften damit als wichtige Unterstützer der rückwärtsgewandten Politik erscheinen lässt. Im Bündnis sind auch die Verbände vertreten, die den Senat unterstützen und seine Politik absichern. An erster Stelle gilt das für den BBU, der sich gerne mit Genossenschaften schmückt, wenn er das Vorgehen der privaten Immobilienwirtschaft verteidigt. Aber auch das Bündnis Junger Genossenschaften legitimiert die Senatspolitik durch ihre Mitgliedschaft im Bündnis.
Die Vorstände mögen gute Beziehungen zur Verwaltung haben, den Wohnungssuchenden, die in Genossenschaften in eine WBS-Wohnung ziehen möchten, hilft das nicht. Solche Wohnungen gibt es kaum und sie werden so gut wie gar nicht gebaut. Auch Transferleistungsbeziehende haben keine Chance in Genossenschaften einzuziehen – ihnen wird beim Erwerb der Anteile nicht geholfen. Hier könnten aber die eingesparten 200.000€ helfen, die für einen Genossenschaftsbeauftragten im aktuellen Doppelhaushalt eingeplant waren und nicht abgerufen wurden, indem das Geld für den Anteilserwerb genutzt wird.
Genossenschaften scheinen aktuell immer mehr zu dem zu werden, was ihre Kritiker bemängeln: Wohlfühlvermieter für die Mittelklasse, die den Neubau vernachlässigen und an sozialer Integration kein Interesse zeigen. Und – aus Sicht der stadtpolitischen Bewegung besonders problematisch – Genossenschaften werden zu einer wichtigen Stütze für das schwarz-rote Versagen in der Wohnungspolitik. Dabei sind gerade die kleinen und experimentellen Genossenschaftsprojekte wegweisend in ihren Konzepten gemeinschaftlichen Wohnens und Cluster-Wohnens und haben in den vergangenen Jahrzehnten die Gestaltung der Neubauquartiere und der Wohnkonzeptionen der LWU stark beeinflusst.