BBU – Totengräber der Genossenschaftsbewegung

Dass Genossenschaften nicht enteignet werden, liegt in der Logik des Artikel 15 des Grundgesetzes, der die gesetzliche Grundlage für den Volksentscheid “Deutsche Wohnen & Co enteignen” bildet. Dort heißt es, dass Privateigentum in Gemeineigentum oder “in andere Formen der Gemeinwirtschaft” überführt werden kann. Da Genossenschaften zu diesen “anderen Formen” gehören, können sie gar nicht enteignet werden, denn sie sind schon Teil der Gemeinwirtschaft. Das galt lange Zeit. Doch dann kam Maren Kern, als Vorstand des BBU höchste Verbandsrepräsentantin der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen, und erklärte: “Genossenschaften sind zwar gemeinwohlorientiert, aber nicht gemeinwirtschaftlich.” (so zuletzt in einer BBU-Pressemitteilung vom 10.9.)

Worauf Kerns These beruht, erschließt sich nicht. Selbst im ideologischer Einseitigkeiten unverdächtigen “Gabler Wirtschaftslexikon” heißt es klipp und klar: Gemeinwirtschaftlich sind “unmittelbar auf das Wohl einer übergeordneten Gesamtheit (Gemeinwohl) ausgerichtete wirtschaftliche Aktivitäten. An die Stelle des der Privatwirtschaft zugrunde liegenden Gewinnziels tritt eine kollektive Nutzenmaximierung… Neben dem privatwirtschaftlichen Sektor wird die Gemeinwirtschaft als ein staatswirtschaftlicher oder genossenschaftlicher Sektor, der den privatwirtschaftlichen Sektor zu ergänzen und mögliche negativen Folgen zu vermeiden bzw. zu kompensieren hat, als zweiter Teil der gesamten Wirtschaftsordnung gesehen.” (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gemeinwirtschaft-33655/version-257176). Auch die Rechtsgutachten, die Senat, Abgeordnetenhaus und Bundestag haben Rechtsgutachten zum Volksentscheid eingeholt haben, sehen kein Problem darin, Genossenschaften von der Vergesellschaftung auszunehmen, da sie Teil des gemeinwirtschaftlichen Sektors sind.

Die Position des BBU-Vorstandes ist besonders irritierend, weil er im Jahr 1897 als genossenschaftlicher Selbsthilfeverband gegründet wurde. Von diesen Wurzeln scheint sich der Verband vollständig gelöst zu haben. Statt die genossenschaftlichen Prinzipien zu verteidigen, dient er sich den profitorientierten Konzernen an. So entkernt der BBU den Genossenschaftsgedanken.

Zwar wurde im Zuge der neoliberalen Politik der Druck auf die Genossenschaften größer, sich profitorientiert und weniger gemeinwirtschaftlich zu verhalten (etwa durch den Privatisierungszwang im Altschuldengesetz und die Einführung der “investierenden Mitglieder” in das Genossenschaftsgesetz). Und auch bei einigen Genossenschaftsvorständen kann man fragen, ob sie noch im Sinne einer “kollektiven Nutzenmaximierung” agieren. Dies zeigte sich zuletzt, als bekannt wurde, dass auch einige Genossenschaften ihre Nutzungsentgelte senken mussten, weil sie die vom Mietendeckel vorgegebenen Grenzen zur “Wuchermiete” überschritten. Genossenschaften aber grundsätzlich den Gemeinwirtschafts-Charakter abzusprechen und sie in eine Reihe zu stellen mit profitorientierten Akteuren wie Deutsche Wohnen und Vonovia – das ist eine Zäsur. Es ist ein Bruch mit der 130-jährigen Genossenschaftsgeschichte, ein Bruch mit all dem, was das Wesen von Genossenschaften ausmacht, was sie von anderen Wirtschaftsformen unterscheidet. Die Position des Immobilienlobbyverbands BBU wird auch ganz praktische, schädliche Folgen haben: Wenn Genossenschaften kein Teil der Gemeinwirtschaft sind, dann gibt es für staatliche Politik keinen Grund mehr, sie besonders zu fördern.

Mit seiner Verneinung des gemeinwirtschaftlichen Charakters der Genossenschaften hat der BBU eine Grenzlinie überschritten. Aus einer Interessenvertretung der Genossenschaften und ihrer Traditionen ist er zu deren Totengräber geworden. Für Genossenschaftsmitglieder ist es jetzt Zeit, auf ihre Vorstände einzuwirken, den BBU zu verlassen und sich nach Alternativen umzusehen, in denen die Interessen gemeinwirtschaftlicher Wohnungsunternehmen ernst genommen und gut vertreten werden. Der BBU kann sich dann endgültig der Unterstützung der profitorientierten Immobilienwirtschaft zuwenden, so wie Maren Kern es vorhat.

3 Gedanken zu “BBU – Totengräber der Genossenschaftsbewegung

    1. Die Genossenschafter*innen haben sich bisher auf die Pflege der Webseite und den Versand eines Newsletter (der auf die neuen Texte auf der Webseite hinweist) beschränkt. Jede:r kann aber zur Verbreitung beitragen, indem sie oder er interessante Texte auf ihre, bzw. seine Kanäle verlinkt.

  1. Fairnesshalber hier noch angemerkt: Der Vorstand der BBU besteht aus: Prof. Dr. Klaus-Peter Hillebrand und Maren Kern. Die BBU – Mitgliedsunternehmen sind lt. Angaben auf der Website:
    • 89 landeseigene und kommunale Wohnungsbaugesellschaften mit rund 514.000 Wohnungen,
    • 194 genossenschaftliche Wohnungsunternehmen mit rund 310.000 Wohnungen,
    • 56 private und sonstige Wohnungsunternehmen mit rund 300.000 Wohnungen.
    Was Frau Kern mit ihren Äußerungen gemeint haben mag, kann ich nicht beurteilen, da Begriffe wie Gemeinwohl sowie auch Gemeinwirtschaft ideologisch aufgeladen sind und jeder damit heutzutage etwas anderes assoziiert. Sogar für die Demokratie mag sich niemand auf eine allgemeingültige Definition festlegen. Natürlich ist es schade, dass sich dieser Verband von seiner ursprünglichen Idee so weit entfernt hat. Meiner Meinung nach sollten sich lieber die privaten und sonstigen Wohnungsunternehmen einen neuen Verband suchen und BBU transformiert sich back to the roots. Vielleicht kann man die Vorstände der BBU zum nächsten alternativen Genossenschaftstag einladen und darüber in ein Gespräch kommen.

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