Die Genossenschaftsidee lebt – trotz allem!

Am 26. März fand eine Veranstaltung zu Genossenschaftsfragen statt, die die Initiative “Genossenschaft von unten” in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchführte. Auch eine Vertreterin der GENOSSENSCHAFTER*INNEN hielt ein Grußwort, das wir im Wortlaut dokumentieren.

“Liebe Freundinnen und Freunde,

mit Unterstützung der RLS hat unsere Initiative, die Genossenschafter*innen, im November eine Broschüre mit dem Titel “Selbstverwaltet und solidarisch Wohnen” herausgebracht. Der Titel ist Programm. Denn “selbstverwaltet und solidarisch” sind Ziele, die am Anfang Leitmotive der Genossenschaftsbewegung waren – bis die Nazis ihnen den Garaus machten.

Doch auch wenn wir uns heute in der Genossenschaftslandschaft umschauen, ist von diesen Zielen kaum noch etwas zu erkennen. Wir sehen eine Entmachtung der Mitglieder und intransparente Entscheidungen der Vorstände. Wir sehen auch politische Positionierungen einiger Verbände, die jede Reform des Wohnungsmarktes hin zu mehr Solidarität niedermachen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und über Jahrzehnte gewachsen. Die Einpassung in den sozialen Wohnungsbau der Nachkriegszeit (in der BRD, die Genossenschaften in der DDR haben einen anderen Weg genommen) hat die Prinzipien von Selbstbau, Selbstverwaltung und demokratischer Teilhabe in den Hintergrund treten lassen und Verkrustungen und Klüngel gefördert.
Der Rückzug des Staates und die neoliberale Wohnungspolitik besorgten den Rest. Und, man muss es feststellen, Widerspruch von Vorständen und der Mitgliedschaft sind selten zu hören – nur wenige Vertreter:innen wagen es, kritische Fragen zu stellen.

Viel Anlass also, um aktiv zu werden!

Unsere beiden Initiativen sind in unterschiedlichen Zusammenhängen entstanden: Ihr vor mehr als zehn Jahren im Zuge der sog. Reform des  Genossenschaftsgesetzes, wir erst 2019 in den aktuellen mietenpolitischen Kämpfen.

Das prägt auch unsere jeweiligen Schwerpunkte: Ihr arbeitet beharrlich an Initiativen zur Veränderung der normativen Rahmung der Genossenschaften – z.B. in der Auseinandersetzung mit der Mustersatzung des GdW – wir eher in der Vernetzung der Genossenschaftsmitglieder untereinander und mit den stadtpolitischen Bewegungen. Ich möchte betonen: Das ist kein Gegeneinander, sondern ergänzt sich sehr gut. Denn in beiden Feldern müssen wir um Veränderungen kämpfen, wenn wir Erfolge erzielen wollen.

Und noch etwas eint uns: In beiden Initiativen ist das Grüppchen von Aktiven recht klein! Und da komme ich auf ein Problem, das wir nicht vergessen sollten: Die meisten Genossenschaftsmitglieder sind mehr oder weniger zufrieden! Was auch nicht verwundert, denn die Wohnbedingungen in den Genossenschaften sind immer noch erheblich besser als auf dem wildgewordenen privaten Wohnungsmarkt in Berlin. Man denke nur an das lebenslange Wohnrecht!

Das muss uns aber nicht mutlos machen, denn gleichzeitig erleben wir eine Renaissance der Genossenschaftsidee. Wenn sich Menschen zusammenschließen, um ihre Idee von gemeinsamen Wohnen zu realisieren, dann entscheiden sie sich häufig dafür, eine Genossenschaft zu gründen.

Letztes Beispiel in Berlin: Der Wohn- und Gewerbekomplex in der Lausitzer Str. 10 konnte nach langjährigen Verhandlungen einem privaten Spekulanten abgerungen werden. 170 Menschen können aufatmen. Und wie wollen sie das Haus organisieren? Sie gründeten eine Genossenschaft, die “Eine für Alle eG”, weil diese Organisationsform ihren Vorstellungen von solidarischem Wohnen und Arbeiten in Selbstverwaltung am besten entspricht.

Und es gibt andere Beispiele auch anderswo, in denen der ursprüngliche Gedanke mit neuem Leben gefüllt wird. Gerade in dem Zusammengehen von diesen neuen Wohnungsgenossenschaften mit der alten Genossenschaftsbewegung sehen wir Genossenschafter*innen eine große Chance für solidarisches und selbstverwaltetes Wohnen, was Berlin so dringend braucht. Und trägt vielleicht auch dazu bei, dass sich wieder mehr Genossenschaftsmitglieder für die „alte“ Idee einsetzen.

Ich wünsche Euch einen erfolgreichen Kongress.

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