Trotz breiter Unterstützung: Kein Vorkaufsrecht, keine Genossenschaft

Die Hausgemeinschaft Warschauer Str. 25/Kopernikusstr. 6 ist trotz breiter Unterstützung mit ihrem Versuch, über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk das Haus mittelfristig in eine Genossenschaft umzuwandeln, gescheitert. In einer Stellungnahme vom 14. Juni erläutert die Hausgemeinschaft die Vorgeschichte und macht sich Gedanken über die Zukunft des Hauses, das von den Fonds, die das Haus gekauft hatten, systematisch heruntergewirtschaftet wurde. Wir dokumentieren die Erklärung im Wortlaut.

Kein Vorkauf, Zukunft ungewiss

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wird das Vorkaufsrecht wegen der hohen Sanierungskosten und aus Zeitmangel nicht ausüben. Das Haus gehört damit dem ursprünglichen Käufer, einem Immobilienfonds mit Sitz in Luxemburg. Was dieser mit dem Haus plant, bleibt abzuwarten.

Eine Abwendungsvereinbarung wurde ebenfalls nicht unterzeichnet. Aber der Bezirk wird den neuen Eigentümer in die Verantwortung nehmen, die baulichen Missstände zu beseitigen und den gesetzeswidrigen Leerstand vermietbar zu machen.

Immobilie und Altmieter:innen schützen damit nur noch die Lage im sozialen Erhaltungsgebiet Weberwiese und das Mietrecht vor Spekulation und Verdrängung.

Am frühen Nachmittag des 12. Juni trafen wir Senator Christian Gaebler (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Landes Berlin, und Staatssekretär Stephan Machulik vor dem Plenarsaal des Abgeordnetenhauses und holten uns die schlechte Nachricht persönlich ab: Die Stadt wird das Vorkaufsrecht für unser Haus in der Warschauer Str. 25 / Kopernikusstr. 6 in Friedrichshain nicht wahrnehmen. Bis kurz vor Ablauf der Vorkaufsfrist (12.6.25) gab es noch Gespräche und Hoffnung, weil in anderen, ähnlichen Fällen positive Entscheidungen erst im letzten Moment kommuniziert wurden.

Der lange Weg zum Nein

Im vergangenen Monat wurden intensiv verschiedene Modelle geprüft. Am Ende scheiterten alle Lösungsansätze an den hohen Sanierungskosten – und an fehlender Zeit.

Zunächst schien der hohe Leerstand von 30-40 % der Wohnfläche doch ein Trumpf zu sein: Im ersten Modell sollten mit Hilfe der GSE (Gesellschaft für StadtEntwicklung gemeinnützige GmbH) die leerstehenden Wohnungen auf einem niedrigen Standard instand gesetzt und Trägern von sozialen Wohnangeboten zur Nutzung übergeben werden. Angedacht waren Housing First und Azubi-Wohnungen für Charité oder Polizei.

Für eine realistische Einschätzung der zu erwartenden Sanierungskosten wurde das Architektenbüro Hütten und Paläste mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Bereits nach der Begehung vom Keller bis zum Dachboden ließ uns die GSE wissen, dass sie keine Mittel für die notwendige Instandsetzung habe und somit als Käufer nicht zur Verfügung stehe.

In einem zweiten Modell sollte das finanzstarke kommunale Wohnungsunternehmen berlinovo das Haus ankaufen und sanieren, im Idealfall mit einem Zuschuss vom Senat. Nach erfolgter Sanierung hätte die berlinovo das Haus zur weiteren Bewirtschaftung an eine Genossenschaft übergeben. Nur über diesen Umweg wäre eine weitere Förderung möglich gewesen. Hier teilte uns Finanzsenator Stefan Evers (CDU), der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der berlinovo ist, eine Woche vor Ablauf der Vorkaufsfrist per E-Mail mit, dass die berlinovo schon aus satzungsrechtlichen Gründen dieses Modell nicht tragen könne. Er verwies auf den Fall der Kastanienallee 86 (alias Tuntenhaus) und legte uns nahe, eine Stiftung und ein landeseigenes Wohnungsunternehmen (LWU) zu finden. Weiterhin teilte er uns mit, dass die Finanzmittel bei der Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenStadt) lägen.

Zeitgleich wurde vom Bezirk ein externer vereidigter Gutachter beauftragt, den Verkehrswert des Gebäudes zu prüfen. Diese Prüfung ergab, dass der Verkaufspreis von knapp 5 Mio. € einem tatsächlichen Verkehrswert von 3,5 Mio. € gegenübersteht.

Trotz intensiver Bemühungen konnte so knapp vor Fristende keiner der Beteiligten (Senat, Bezirk, Mieter:innengemeinschaft) eine LWU, Genossenschaft oder Privatperson finden, die in der Kürze der verbleibenden Zeit ein Konzept zur Finanzierung von Ankauf und Sanierung erstellen und umsetzen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass eine Sanierung risikobehaftet ist und die SenStadt zu diesem Zeitpunkt keine finanziellen Sicherheiten geben kann, da der Etat der nächsten beiden Jahre aktuell noch in Abstimmung ist.

Auf unsere sichtbare Enttäuschung reagierte Senator Gaebler mit der Zusicherung: „Wir bleiben dran!“ Er verwies auf unsere Rechte als Mieter*innen und darauf, dass Eigentum verpflichtet. Es müsse noch einmal eine Begehung durch die Bauaufsicht zur Mängelaufnahme geben und dann werde der neue Eigentümer Auflagen erhalten, Instandsetzungsmaßnahmen im Gebäude durchzuführen und die leerstehenden Wohnungen wieder bewohnbar zu machen und zu vermieten. Auch solle es von Seiten des Bezirks keine Abrissgenehmigung für das Haus geben.

Eine Übung in Resilienz

Die letzten Wochen waren für uns Mieter:innen sehr wechselhaft und kräftezehrend, ein Hin und Her aus Bangen, Hoffnung, Enttäuschungen und viel Aktivismus von unserer Seite. Vor allem aber waren sie ein Lehrstück in Resilienz und Selbstwirksamkeit.

Seit wir Anfang Mai erfahren haben, dass im Falle unsere Hauses die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrecht gegeben sind, waren wir täglich aktiv und haben als Hausgemeinschaft unsere sehr verschiedenen Fähigkeiten für uns und unser Haus eingesetzt und an einem Strang gezogen.

Buchstäblich über Nacht hatten wir eine Website und einen Instagram-Kanal, ein Logo, Buttons und Banner. Wir holten uns Tipps und Ratschläge von anderen Initiativen. Wir waren im regen Austausch mit Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, der Bezirksverordnetenversammlung und des Bundestages. Wir besuchten Sitzungen und baten Politiker*innen in der Kantine beim Mittagessen zum persönlichen Gespräch. Wir gaben der Presse Interviews, gingen auf Demos und organisierten eigene Kundgebungen. Wir kontaktierten potenzielle Käufer. Und wir unterzeichneten Absichtserklärungen und Selbstverpflichtungen, in denen wir Zugeständnisse machten: Wir waren bereit, Genossenschaftsanteile zu erwerben und höhere Mieten in Kauf zu nehmen. Wir machten uns Gedanken um Crowdfunding und planten ein Benefizkonzert, um eine sanfte Sanierung des Hauses und eine Sicherung unseres Wohnraumes zu ermöglichen. Wir gewannen persönliche und fachliche Unterstützer, wie die Uni Hannover, die eine Masterarbeit zur schrittweisen Sanierung genau unseres Hauses ausschreiben würde.

Die meisten unserer Bemühungen waren am Ende – zumindest für die Ausübung des Vorkaufsrechts – leider vergeblich.

Und jetzt? Wie weiter?

Wir finden, Stadt und Bezirk haben hier eine große Chance verpasst, auf dem extrem angespannten Berliner Mietmarkt ein Zeichen für bezahlbaren Wohnraum und gegen Spekulation und Verdrängung zu setzen, zumal in einem Milieuschutzgebiet.

Immer wieder wurde die Frage gestellt, wie es überhaupt zu dem aktuellen Zustand des Hauses kommen konnte. Wir sehen hier in erster Linie die bisherigen Eigentümer in der Verantwortung, die das Gebäude jahrzehntelang verwahrlosen ließen und Neuvermietungen ungeachtet vorhandener Mietinteressenten ablehnten. Inzwischen sind viele der leerstehenden Wohnungen tatsächlich unbewohnbar, da Dielen, Wände, Armaturen ersatzlos entfernt wurden.

Die Frage, die uns umtreibt und die wir auch Senator Gaebler gestellt haben, ist: Welchen Sinn erfüllt das Vorkaufsrecht in seiner aktuellen Form? Seit 2021 dürfen praktisch lediglich sogenannte „Schrottimmobilien“ erworben werden, für deren Sanierung dann aber die Finanzmittel fehlen. Hier appellieren wir dringend an die Politik, das Vorkaufsrecht wieder einsatzfähig und zu einem wirkungsvollen politischen Instrument zu machen. Denn: Wir sind nur ein Haus unter vielen!

Am Ende steht trotzdem ein riesengroßes Dankeschön

Wir danken allen unseren Unterstützer*innen und Begleiter*innen der letzten Wochen: den Häuser-Initiativen, Mietervereinen und Genossenschaften sowie der asum und der AKS, die uns mit Informationen, Rat, langen Gesprächen und materieller Hilfe zur Seite standen; den Politiker*innen auf Bezirks- und Landesebene, die tatsächlich jederzeit für uns da waren, Modelle für uns erdachten und versuchten, diese zu ermöglichen, allen voran Katrin Schmidberger und Florian Schmidt (Bündnis 90 / Die Grünen). Weiterhin Stephan Machulik, Dr. Matthias Kollatz, Sevim Aydin und Hakan Demir MdB (SPD), Pascal Meiser MdB und Niklas Schenker (Die Linke); den Journalist*innen, die über unsere Situation berichteten; unseren Redner*innen und Musiker*innen, die uns ihre Zeit und Energie schenkten; den Unternehmen, deren Ressourcen wir nutzen durften; und allen, die sich mit uns solidarisch erklärt, uns Mut zugesprochen und mit uns mitgefiebert haben.

„Wir sind ein Haus. Ihr seid viele. Lasst uns eine Bewegung sein.“ (Romy)

Wir Mieter*innen der Warschauer 25 / Kopernikus 6 sind als Hausgemeinschaft zusammengerückt. Wir sind sichtbar geworden. Wir haben ein Netzwerk aufgebaut. Wir wünschen uns kooperative Lösungen mit dem künftigen Eigentümer unseres Hauses und sind inzwischen stabil genug vernetzt, um uns gegebenenfalls in Gremien und Medien Unterstützung zu holen.

Wir geben unsere Gemeinschaft und unser „Haus mit dem Balkon“ nicht auf! Folgt uns weiter auf unserer Website und auf Instagram und bleibt uns gewogen. Und wenn wir diesen Sommer ein Hoffest feiern, seid ihr herzlich eingeladen!

Eure Hausgemeinschaft in der Warschauer 25 / Kopernikus 6

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