Ein Grund zum Feiern. Und zum Ärmelaufkrempeln!

Erklärung der Genossenschafter*innen zum Internationalen Genossenschaftstag

Am 2. Juli findet der „Internationale Genossenschaftstag“ statt, der 1923 durch die International Cooperative Alliance ins Leben gerufen wurde und seit 1992 mit der Resolution 47/90 auch offizieller UN-Feiertag ist. Der Tag soll das Bewusstsein für Genossenschaften und deren Ideale einer solidarischen Ökonomie feiern und fördern.

Genossenschaften waren auch in Deutschland ein wichtiger Impulsgeber für eine soziale, demokratisch organisierte Wirtschaft. Gerade die Wohnungsgenossenschaften haben in diesen 100 Jahren häufig bewiesen, dass sie in der Lage sind, auf schwierige, veränderte Rahmenbedingungen mit neuen Ideen zu antworten. Einige der schönsten Wohnanlagen der 1920er Jahre wären ohne die Genossenschaftsbewegung nicht denkbar. Angesichts der aktuellen Krisen ist von dieser Kreativität aber wenig zu spüren. (mehr …)

Unruhe in Groß-Berlin – Mitgliederversammlung verweigert Entlastung

Die Wohnbau-Genossenschaft Groß-Berlin eG in Spandau-Hakenfelde hat etwa 320 Wohnungen. Bis 2018 ging es dort beschaulich zu. Dann begann die Katastrophe. Der Vorstand, ein ehemaliger Prüfer des BBU, kaufte für rund 1,5 Mio € eine Immobilie in der Nähe. Das wurde viel teurer als geplant. Das Fundament musste erneuert werden, Asbest wurde gefunden, insgesamt zeigt der Bau konstruktive Mängel.  4,7 Mio € sind bisher für sechs Wohnungen (!) geplant. Die Kreditsumme musste erheblich erhöht werden, statt einem leichten Plus wie in den Jahren zuvor machte die Genossenschaft mächtig Minus. 1,8 Mio € schiebt sie nun als Verlustvortrag vor sich her. Das ist mehr als die jährlichen Mieteinnahmen der gesamten Genossenschaft. (mehr …)

Möckernkiez streicht BBU aus der Satzung

Zu den Genossenschaften, deren Mitgliedschaft im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) in der Satzung verankert ist,  gehörte bisher die Möckernkiez eG in Kreuzberg.  Am 7. Juni nun beschloss die Mitgliederversammlung mit der notwendigen Mehrheit von 75%, den entsprechenden Paragrafen aus der Satzung zu streichen und durch eine Formulierung zu ersetzen, die sich in den meisten Genossenschaftssatzungen findet: „Die Genossenschaft wird von dem Prüfverband geprüft, dem sie angehört“. Nun soll im Laufe des Jahres entschieden werden, welchem Prüfverband der Möckernkiez zukünftig angehören will.

Der Antrag wurde vom Aufsichtsrat auf die Tagesordnung gesetzt. Vorausgegangen war eine kritische Auseinandersetzung in der Mitgliedschaft mit den politischen Positionen des BBU, inbesondere zum Mietendeckel und zur Frage der Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne. Die für einen MV-Antrag erforderliche Unterschriftenzahl von 10% wäre nur schwer zu erreichen gewesen, da nur etwa ein Viertel der Mitglieder in der Genossenschaft wohnt. Daher wählte man einen anderen Weg: Eine Petition an den Aufsichtsrat sollte dem Anliegen der Mitglieder Nachdruck verleihen. Innerhalb von wenigen Tagen kamen mehr als 80 Unterschriften zusammen, die dem Aufsichtsrat im Februar übergeben wurden. Der Aufsichtsrat entschloss sich, diesen Mitgliederwillen ernst zu nehmen und den Antrag auf Satzungsänderung auf die Tagesordnung der MV zu setzen.

Der Antrag wurde ohne Diskussion zur Abstimmung gestellt. Ein Geschäftsordnungsantrag auf Vertagung fand keine Mehrheit, und schließlich stimmten rund 80% der Anwesenden für die Satzungsänderung.

Bis Ende des Jahres wollen Vorstand und Aufsichtsrat nun entscheiden, welchem Prüfverband der Möckernkiez künftig angehört. Um eine Meinungsbildung auch in der Mitgliedschaft zu ermöglichen, bereiten einige Genoss:innen für den Herbst eine Veranstaltung zum Für und Wider einzelner Prüfverbände vor (s. auch unseren Beitrag: Raus aus dem BBU – aber wohin)

Raus aus dem BBU – aber wohin?

Der BBU sieht sich nicht als sozialer, gemeinwirtschaftlich orientierter Akteur, sondern als ein Verband, der die Renditeoptimierung seiner Mitglieder an die erste Stelle stellt: „Der BBU sichert als Interessenverband die Rahmenbedingungen für die nachhaltige Ertragskraft seiner Mitgliedsunternehmen.“ – so heißt es gleich zu Anfang auf der Homepage. Entsprechend massiv hat er in den letzten Jahren jede politische Initiative attackiert, die eine Beschränkung von Mietpreissteigerungen vorsah. Das passt zwar zur Politik des BBU-Mitglieds Vonovia, aber kaum zu den Vorstellungen von solidarischem Wohnen, dem sich die Genossenschaftsbewegung verpflichtet fühlen sollte. Kein Wunder, dass der Austritt aus dem BBU bei vielen Genossenschaftsmitgliedern ein Thema ist. Aber was ist die Alternative? (mehr …)

Bericht Workshop „Wohnen jenseits des Markts – Herausforderungen für ein gemeinnütziges Wohnen“

Im Workshop „Wohnen jenseits des Markts – Herausforderungen für ein gemeinnütziges Wohnen“ haben drei Referent*innen gemeinsam mit etwa 60 Teilnehmenden über die gegenwärtige Situation am Wohnungsmarkt und den Beitrag von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen zur Lösung der Notlage diskutiert.

Mit drei Auftaktstatements haben die drei Referent*innen den Workshop eröffnet. Inga Jensen (Politikwissenschaftlerin und Urbanistin, Uni Weimar) hat Befunde aus ihrer Forschung zur Rekommunalisierung von Wohnraum präsentiert, Gisela Notz (Historikerin und Autorin) hat den Beitrag von Wohnungsbaugenossenschaften zu historischen und aktuellen Krisen herausgestellt und Günter Piening (Genossenschaftsmitglied und stadtpolitscher Aktivist bei Die Genossenschafter*innen) hat die Grenzen der genossenschaftlichen Beteiligung und zukünftige Handlungsbedarfe skizziert.
Zunächst sind die derzeitigen Zwänge und Notlagen am Wohnungsmarkt zur Sprache gekommen, die den Alltag von Mieter*innen prägen aber auch den Handlungsrahmen gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen bestimmen. Ein besonderer Blick wurde auf das Demokratiedefizit alt eingesessener Wohnungsgenossenschaften gerichtet, die zwar oftmals noch bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, sich sonst aber nur wenig von der privatwirtschaftlichen Konkurrenz unterscheiden. Diese Defizite wurden auch von den Teilnehmenden aus dem Publikum bestätigt, die ihrerseits weitere Herausforderungen, wie beispielsweise klimagerechte Bestandssanierung und Hürden für selbstverwaltetes Wohnen, zur Debatte beitrugen.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden mögliche Lösungswege in den Blick genommen. Es wurden Besonderheiten von kommunalen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften aber auch andere Formen solidarischen und selbstverwalteten Wohnens, etwa Hausprojekte oder das Mietshäusersyndikat angesprochen und diskutiert, welchen Beitrag sie für eine zukünftige Stadtpolitik leisten können. Folgende Aspekte standen bei der Diskussion im Mittelpunkt: Erstens, auch gemeinwohlorientierte Unternehmen werden oftmals von Personen geführt, die bei ihren Entscheidungen den Mustern der konventionellen, profitorientierten Immobilienwirtschaft folgen. Hier könnte eine alternative Managementausbildung Abhilfe schaffen. Zweitens, demokratische Mitbestimmung der Mieter*innen und Genossenschaftsmitglieder ist oft stark formalisiert. Es ist notwendig, Mitbestimmung und Beteiligung bei kommunalen Unternehmen und Genossenschaften auszubauen und den Beteiligten Unterstützung bei dieser Demokratisierung anzubieten. Drittens, eine intensive eigene Auseinandersetzung mit der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Ausrichtung der Unternehmen durch die Bewohnerschaft kann eine wichtige Form der Einflussnahme sein. Zugleich erhöhen sich Wohnzufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen und auch die Nachbarschaft kann mit einbezogen werden. Wie dies im Detail aussehen kann, wurde anhand der Gemeinwohlbilanz einer Berliner Genossenschaft vorgestellt (Mehr Infos hier). Im Workshop wurde deutlich, dass der größte Teil der wohnungspolitischen Fragen – im Kleinen wie im Großen – Beharrlichkeit erfordert und dass Demokratisierung und Gemeinwohlorientierung immer wieder neu erkämpft werden müssen.
Danke an alle Beteiligten für die konstruktive und anregende Diskussion!

Deckeln, Demokratisieren, Vergesellschaften: Kongress diskutiert Wege aus der Wohnungskrise

Mit der Abschlusserklärung „Wohnen ist keine Ware, Vergesellschaftung jetzt umsetzen“ ist am 27. Mai der  wohnungspolitische Enteignungskongress von ASTA TU, Rosa-Luxemburg-Stiftung und „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zu Ende gegangen. An drei Tagen diskutierten mehr als 700 Teilnehmer:innen aus dem gesamten Bundesgebiet auch mit internationalen Gästen über Schritte, um die gegenwärtige Wohnungsnot zu reduzieren und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums wiederherzustellen. Zu den Forderungen gehören neben der Enteignung großer Wohnungskonzerne auch politische Regulierungen, um die Profite mit Wohnraum zu begrenzen, eine Stärkung der Mieterrechte und die Bewirtschaftung von Wohnraum in demokratischer Kontrolle (Hier die Abschlusserklärung im Wortlaut. Foto: Ian C.)

Die GENOSSENSCHAFTER*INNEN brachten mit dem Workshop „Demokratisierung des Wohnens in unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen“ ( HIER) und dem Workshop „Wohnen jenseits des Markts – Herausforderungen für ein gemeinnütziges Wohnen“ (HIER haben genossenschaftlich Perspektiven ein.

Bericht Workshop „Demokratisierung des Wohnens“

Bei der Veranstaltung „Demokratisierung des Wohnens in unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen“ haben wir als Genossenschafter:innen zusammen mit Marie Schubenz (Kommunal & Selbstverwaltet Wohnen) sowie Bettina Barthel (Regionalberatung Berlin-Brandenburg des Mietshäuser Syndikats) über die Bedeutung der Selbstbestimmung für wohnungspolitische Auseinandersetzungen diskutiert. Mit etwa 50 Anwesenden war der Raum leicht überfüllt, was gezeigt hat, dass ein großes Interesse an dem Thema der Demokratisierung und Selbstbestimmung besteht. (mehr …)

Im Wortlaut: Die Abschlusserklärung

Wohnraum ist keine Ware – Vergesellschaftung jetzt umsetzen
Auf dem Börsenparkett kann man nicht wohnen. Und dennoch besitzen nicht Privathaushalte, Kleinvermieter*innen oder Kommunen, sondern Aktiengesellschaften die größten Wohnungsbestände unserer Republik. Viele dieser Wohnungen stammen aus öffentlichen Beständen, wurden mit Steuergeldern und Subventionen erbaut – und seit den 1990ern zu Spottpreisen privatisiert. Seit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 gaben Staat und Kommunen Wohnungspolitik in die Hände des Marktes.
Die Auswirkungen auf unsere Städte und ihr soziales Leben sind verheerend. Mietpreise steigen, das Angebot an leistbarem Wohnraum schrumpft weiterhin, Hunderttausende von Sozialwohnungen fallen aus der Bindung. Menschen rutschen in die Armut ab, oder werden aus ihrem sozialen Umfeld vertrieben
Doch eine Neuordnung des Wohnungsmarktes ist nicht in Sicht. Wo überhaupt eingegriffen wird, sind die Maßnahmen oberflächlich oder kosmetisch. Der „Milieuschutz“ ist seit der gerichtlichen Abschaffung des Vorkaufsrechtes völlig zahnlos, Ersatz ist nicht in Sicht. Ähnlich ging es auch der einzig mutigen Reform der letzten Jahre: dem Berliner Mietendeckel. Er weckte Hoffnungen auf eine Regulierung der Mietpreise, wie sie in der Gründerzeit der Republik selbstverständlich war. Doch ein in unseren Augen skandalöses Urteil des Bundesverfassungsgerichtes entzog den Ländern unter der Hand diese Kompetenz und brachte den Mietendeckel zu Fall.
Seitdem kommt aus der Politik gar nichts mehr, die Mieterinnen und Mieter werden alleine gelassen. Die einst im Mieterschutz federführende Berliner Landesregierung wirkt wie gelähmt, das im Wahlkampf 2021 gegebene Sozialdemokratische Versprechen eines „Mietenmoratorium“ ist längst gebrochen. Objektive Hindernisse für mutige Maßnahmen gibt es nicht: ein Bundesmietendeckel wäre morgen umsetzbar. Doch es fehlt der politische Wille.
Gegenimpulse kommen vor allem aus den sozialen Bewegungen unserer Städte, am deutlichsten jüngst aus Berlin: Eine Million Menschen forderten per Volksentscheid ein Gesetz zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne. Die hinhaltende Taktik des Berliner Senats gegenüber diesem Akt der Volkssouveränität ist ein Skandal, den wir verurteilen. 100 Tage Nichtstun bis überhaupt erst eine Kommission zusammentrat, deren Kompetenzen bis heute unklar sind – das ist das Gegenteil von dem versprochenen „Respekt“ für das Abstimmungsergebnis.
Das Fremdeln der Berliner Politik mit dem Volksentscheid zeigt, dass viele Entscheiderinnen und Entscheider noch nicht verstanden haben: Der Markt schafft keinen bezahlbaren Wohnraum.
Wir fordern daher die Abkehr von der Marktsteuerung im Wohnungswesen. Wohnungen sind keine Ware, sie gehören nicht an die Börse.
Bauen um jeden Preis ist auch in ökologischer Hinsicht für das Erreichen der Klimaziele keine Lösung. Der immense Ressourcen- und Flächenverbrauch im renditegetriebenen Bau- und Wohnungssektor macht auch in klimapolitischer Hinsicht ein Umsteuern hin zu demokratisch kontrolliertem und dem Gemeinwohl verpflichteten Wohnraum notwendig.
Erstes Ziel aller Wohnungspolitik müssen öffentliche und gemeinwirtschaftliche Eigentumsformen sein. Dieses Prinzip nennen wir „Vergesellschaftung“. Dazu gehört die Enteignung großer Wohnungskonzerne – aber auch politische Regulierungen, die Profite mit Wohnraum begrenzen, Mieterrechte stärken und die Bewirtschaftung von Wohnraum demokratischer Kontrolle unterstellen.

Folgende Schritte halten wir für notwendig:
– Partnerschaften, Runde Tische und ähnliche Abkommen mit Immobilienkonzernen waren bisher stets zum Schaden der Mieterinnen und Mieter. Sie sind sofort zu beenden, in Kommunen, Ländern und auf Bundesebene.
– Das von der Bevölkerung mehrheitlich gewollte Berliner Vergesellschaftungsgesetz muss ernsthaft angegangen werden. Die damit befasste Expert*innenkommission muss öffentlich tagen und konkrete Umsetzungswege aufzeigen.
– Bauen um jeden Preis ist keine Lösung. Wir brauchen keine Sozialwohnungen, die in wenigen Jahren wieder Spekulationsobjekt werden. Es muss daher in Bund, Ländern und Kommunen gelten: Öffentliche Gelder nur für Bauten in öffentlichem Eigentum oder in gemeinwirtschaftlicher Trägerschaft.
– Privatisierung von Wohnraum, aber auch Grund und Boden in öffentlichem und staatlichem Besitz muss gestoppt werden. Privatisierungsagenturen wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) aber auch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) müssen radikal reformiert werden und zu Vergesellschaftungsagenturen werden, die öffentliches Eigentum gemeinnützig verwalten und vermehren.
– Die Bundesregierung muss den Mietendeckel freigeben. Wir brauchen eine sofortige Öffnungsklausel im Bundesrecht, die Länder und Kommunen erlaubt, Miethöhen wirksam zu regulieren.
– Das Vorkaufsrecht der Kommunen muss wiederhergestellt und gestärkt werden. Die Möglichkeit, einen Vorkauf per „Abwendungsvereinbarung“ zu stoppen, muss entfallen, Vorkäufe müssen deutlich unterhalb der gegenwärtig spekulativ überhöhten „Marktpreise“ möglich sein.
Mittelfristig müssen Maßnahmen wie Vorkaufsrecht und Mietendeckel und Zweckentfremdungsverordnungen zusammengeführt werden zu Wohnungswirtschaftsgesetzen auf Landesebene. Ihr Ziel muss sein, die Möglichkeit von Profiten mit der gegenwärtigen Wohnungsnot zu reduzieren und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums wiederherzustellen. Auch hier muss der Bund Öffnungsklauseln erlassen, damit die Länder wirksame Regeln erlassen können.