Das verheißt nichts Gutes:
Architektenverein will Genossenschaft gründen

CDU/SPD wollen Grundstücke künftig nicht mehr nur in Erbpacht vergeben, sondern wieder verkaufen – an Genossenschaften. Die Tinte unter dem schwarz-roten Koalititonsvertrag war noch nicht getrocknet, da kreisten schon die Geier über dem Berliner Grundstücksmarkt. Als Erster meldete sich der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V. (AIV) mit der Ankündigung, eine Genossenschaft gründen zu wollen, deren wesentliches Ziel es sei, städtische Grundstücke zu erwerben und zu bebauen. Vor allem das Filetstück Molkenmarkt gerät dabei ins Blickfeld.

Es war wohl nicht vorgesehen, dass die Pläne so früh an die Öffentlichkeit kamen. Das legen die pikierten Reaktionen von AIV und CDU/SPD auf den Bericht im Tagesspiegel vom 5. Mai nahe. Unter der Überschrift ” Schwarz-Rot sei Dank. Verein der Architekten will Bauherr werden” berichtete Tagesspiegel-Redakteurin Teresa Roelcke von einem Treffen des Vereins am 20. April, auf dem der Plan zur Gründung der AIV-Baugenossenschaft bekannt wurde. “Stolz”, so Roelcke, habe der Vereinsvorsitzende Tobias Nöfer berichtet, wie man erfolgreich auf den Koalitionsvertrag Einfluss genommen habe. “In den nächsten Jahren würden voraussichtlich viele landeseigene Grundstücke vergeben. Die AIV-Genossenschaft habe aufgrund ihrer Kontakte zur Politik gute Chancen, viele dieser Grundstücke zu bekommen.”

Eins der besonders attraktiven Grundstücke ist der Molkenmarkt, seit Jahren ein Kampffeld der Investoren und Stadtplaner:innen. Sollen dort die landeseigenen Unternehmen bauen und preiswerten Wohnraum anbieten? Oder soll dieses innerstädtische Filetstück durch Privat-Investoren hochpreisig entwickelt werden? Nöfer ist in dieser Debatte kein Unbekannter. Er ist Mitautor des “Planwerks Innenstadt”. Dieser folgenreiche privatisierungsorientierte Masterplan auf der Basis der historischen Parzellenstruktur der Berliner Innenstadt wurde zur Jahrtausendwende zum Senatsleitbild erhoben. Das Nöfersche Büro ist ein stadtweit bekannter Vertreter des retrospektiven Bauens, mit dem die Innenstadt attraktiv für hohe Einkommensschichten gemacht werden soll. (Ein Hintergrundtext hier )

Und nun eine Genossenschaft? “Seit Sommer 2022 beschäftigt sich der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV) vertieft mit der Initiierung einer gemeinnützigen Genossenschaft, deren Ziel es ist, bezahlbare Wohnungen zu schaffen.” – so heißt es in der Einladung zur Veranstaltung “Genossenschaften in Zeiten der Baukrise” am 7. Juni. Zufall oder nicht: Ebenfalls im Sommer 2022 stoppte Senatsbaudirektorin Kahlfeldt, Kollegin von Nöfer und auch eine Vertreterin des retrospektiven Bauens, die Planungen für den Molkenmarkt, die bis dato die Entwicklung der Flächen durch die landeseigenen Unternehmen vorsahen.

Wie Nöfer sich die Zukunft der Innensstadt vorstellt, hat er im Dezember in einem Tagesspiegel-Interview in verblüffender Offenheit kundgetan. Nöfer: Die Pläne, das Quartier Molkenmarkt durch landeseigene Wohnungsgesellschaften realisieren zu lassen, seien „eine sehr schlechte Idee“. Und Sozialwohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter sollten nicht in der Innenstadt, sondern auf der grünen Wiese errichtet werden. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/berlins-historische-mitte-da-platzt-mir-die-hutschnur-9037030.html, zitiert nach https://berlin-plattform.de/15-12-2022-interview-mit-tobias-noefer-zum-molkenmarkt/).

Siehe auch Kommentar: Hier

 

 

Ein Gedanke zu “Das verheißt nichts Gutes:
Architektenverein will Genossenschaft gründen

  1. Vielen Dank für diesen Artikel und die Hintergrundinformationen! Welche Gruppierungen treten für andere Lösungen in der Stadtmitte ein?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert