Das verheißt nichts Gutes:
Architektenverein will Genossenschaft gründen

CDU/SPD wollen Grundstücke künftig nicht mehr nur in Erbpacht vergeben, sondern wieder verkaufen – an Genossenschaften. Die Tinte unter dem schwarz-roten Koalititonsvertrag war noch nicht getrocknet, da kreisten schon die Geier über dem Berliner Grundstücksmarkt. Als Erster meldete sich Tobias Nöfer vom Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V. (AIV) mit der Ankündigung, eine Genossenschaft gründen zu wollen, deren wesentliches Ziel es sei, städtische Grundstücke zu erwerben und zu bebauen. Vor allem das Filetstück Molkenmarkt gerät dabei ins Blickfeld.

Es war wohl nicht vorgesehen, dass die Pläne so früh an die Öffentlichkeit kamen. Das legen die pikierten Reaktionen von AIV und CDU/SPD auf den Bericht im Tagesspiegel vom 5. Mai nahe. Unter der Überschrift “Schwarz-Rot sei Dank. Verein der Architekten will Bauherr werden” berichtete Tagesspiegel-Redakteurin Teresa Roelcke von einem Treffen des Vereins am 20. April, auf dem der Plan zur Gründung der AIV-Baugenossenschaft bekannt wurde. Dort, so der Tagesspiegel, habe Nöfer seine guten Kontakte zur Politik betont, von denen er sich Vorteile bei der Grundstücksvergabe versprach. Denn die Stadt habe in nächster Zeit einige attraktive Flächen zu vergeben.


Nachtrag 6.6.: Inzwischen wurde der Tagesspiegelbeitrag gelöscht. Hintergrund ist eine Klage des AIV. In einer AIV-Pressemitteilung von Anfang Juni heißt es dazu: “Am 5. Mai erschien im Tagesspiegel unter der Überschrift „Schwarz-Rot sei Dank – Verein der Architekten will Bauherr werden“ ein Artikel, in dem die Absichten des AIV unter Verweis auf eine eidesstattliche Versicherung eines Teilnehmenden der Versammlung nicht richtig dargestellt wurden. Die Zeitung, von der kein Journalist:in selbst vor Ort anwesend war, schrieb: „Stolz habe Nöfer berichtet, mit welchem Erfolg der AIV auf die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen Einfluss genommen habe. In den nächsten Jahren würden voraussichtlich viele landeseigene Grundstücke vergeben. Die AIV-Genossenschaft habe aufgrund ihrer Kontakte zur Politik gute Chancen, viele dieser Grundstücke zu bekommen. Die Gründung der AIV-Genossenschaft solle schnell erfolgen, damit die Genossenschaft bereitstehe, sobald Grundstücke vergeben würden.“ Diese Sätze hat der AIV-Vorsitzende nicht gesagt, was durch drei eidesstattliche Versicherungen anderer Teilnehmenden der Veranstaltung bestätigt ist und die dem Tagesspiegel vorliegen. Daher hat der AIV beim Landgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Unterlassung gegen den Tagesspiegel gestellt.”


Eins der besonders attraktiven Grundstücke ist der Molkenmarkt, seit Jahren ein Kampffeld der Investoren und Stadtplaner:innen. Sollen dort die landeseigenen Unternehmen bauen und preiswerten Wohnraum anbieten? Oder soll dieses innerstädtische Filetstück durch Privat-Investoren hochpreisig entwickelt werden? Nöfer ist in dieser Debatte kein Unbekannter. Er ist Mitautor des “Planwerks Innenstadt”. Dieser folgenreiche privatisierungsorientierte Masterplan auf der Basis der historischen Parzellenstruktur der Berliner Innenstadt wurde zur Jahrtausendwende zum Senatsleitbild erhoben. Das Nöfersche Büro ist ein stadtweit bekannter Vertreter des retrospektiven Bauens, mit dem die Innenstadt attraktiv für hohe Einkommensschichten gemacht werden soll. (Ein Hintergrundtext hier )

Und nun eine Genossenschaft? “Seit Sommer 2022 beschäftigt sich der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV) vertieft mit der Initiierung einer gemeinnützigen Genossenschaft, deren Ziel es ist, bezahlbare Wohnungen zu schaffen.” – so heißt es in der Einladung zur Veranstaltung “Genossenschaften in Zeiten der Baukrise” am 7. Juni. Zufall oder nicht: Ebenfalls im Sommer 2022 stoppte Senatsbaudirektorin Kahlfeldt, Kollegin von Nöfer und auch eine Vertreterin des retrospektiven Bauens, die Planungen für den Molkenmarkt, die bis dato die Entwicklung der Flächen durch die landeseigenen Unternehmen vorsahen.

Wie Nöfer sich die Zukunft der Innensstadt vorstellt, hat er im Dezember in einem Tagesspiegel-Interview in verblüffender Offenheit kundgetan. Nöfer: Die Pläne, das Quartier Molkenmarkt durch landeseigene Wohnungsgesellschaften realisieren zu lassen, seien „eine sehr schlechte Idee“. Und Sozialwohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter sollten nicht in der Innenstadt, sondern auf der grünen Wiese errichtet werden. (https://www.tagesspiegel.de/kultur/berlins-historische-mitte-da-platzt-mir-die-hutschnur-9037030.html, zitiert nach https://berlin-plattform.de/15-12-2022-interview-mit-tobias-noefer-zum-molkenmarkt/).

Siehe auch Kommentar: Hier

 

 

3 Gedanken zu “Das verheißt nichts Gutes:
Architektenverein will Genossenschaft gründen

  1. Vielen Dank für diesen Artikel und die Hintergrundinformationen! Welche Gruppierungen treten für andere Lösungen in der Stadtmitte ein?

  2. Tagesspiegel – 19.09.2023 – Von Teresa Roelcke
    “Architekten gründen Baugenossenschaft: Verein AIV könnte sich bald um Berliner Grundstücke bewerben
    Der Vereinsvorsitzende hatte die CDU bei den Koalitionsverhandlungen beraten. Bald könnte sich die vom Verein angestoßene Baugenossenschaft auf landeseigene Grundstücke bewerben.”

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/architekten-grunden-baugenossenschaft-verein-aiv-konnte-sich-bald-um-berliner-grundstucke-bewerben-10457851.html

  3. Lieber Herr Piening,
    es wäre wahrscheinlich eine sehr gute Idee, wenn sie mal nicht über mich schreiben, sondern mit mir sprechen würden, bevor Sie hier Vereschwörungstheorien verbreiten (so muss ich es leider nennen) und Themen miteinander vermischen, die besser ausführlicher besprochen würden. Ich hoffe, es geht Ihnen nicht darum, Gräben zu graben und Feindbilder aufzubauen. Die Tendenz des Tagesspiegel in letzter Zeit, von der Berichterstattung zur Agitation überzugehen, was nur geht, wenn man die Wirklichkeit verzerrt, tut weder der Baukultur, noch der Weiterentwicklung unserer Stadt gut. Wenn man das dann abschreibt, bleibt es genau so falsch.

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