Seit Juni ist Eike Roswag-Klinge Präsident der Berliner Architektenkammer. Der freischaffende Architekt und Professor für Baukonstruktion und klimaadaptive Architektur an der TU Berlin betont – wie schon seine Vorgängerin Theresa Keilhacker – die Notwendigkeit ressourcenschonenden Bauens durch verstärkte Investitionen in den Bestand. Nach seiner Vorstellung sollen Genossenschaften eine stärkere Rolle bei der Bereitstellung preiswerten Wohnraums durch „minimalinvasive Maßnahmen“ im Bestand übernehmen. In Berlin gebe es viel Leerstand: „Wenn wir nur Teile davon aktivieren würden, könnten wir unseren Wohnungsbedarf längst decken.“ (Foto: Unsplash/Etienne Girardet)
Im Interview mit dem Tagesspiegel (21.8.) hat der neue Vorsitzende seine Vorstellung zur Lösung der Wohnungskrise erläutert. Dabei nimmt Roswag-Klinge auch den riesigen Büroleerstand in den Blick. Die Argumente, die gegen eine Umnutzung vorgebracht würden, seien häufig übertrieben, denn „die meisten Bürogebäude, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, sind Skelettbauten. Das sind einfache Regale, die man innen leicht umbauen kann.“
Als Beispiel bringt Roswag-Klinge das „Magda“ in Lichtenberg – ein Wohnprojekt des Mietshäuser-Syndikats in einem Plattenbau, der zuvor vor allem als Büro genutzt wurde. „Das sind mit die günstigsten Wohnflächen, die im Land Berlin in der letzten Zeit erzeugt wurden. Man hat da nur so wenig wie möglich am Gebäude verändert, und der Umbau hat am Ende um die 1000 Euro pro Quadratmeter gekostet.“ (siehe auch https://www.hinzundkunzt.de/ungewoehnliche-hausbesitzer/ sowie https://www.syndikat.org/wilma19/
„Warum können wir nicht mit so minimalinvasiven Maßnahmen in Gebäudebestände wie alte Plattenbauten hineingehen?“, fragt Roswag-Klinge. „Man könnte solche Flächen an Genossenschaften beispielsweise für 100 Jahre überlassen, wenn sie im Gegenzug zusagen, dass sie dort mit solchen Minimalmaßnahmen Wohnraum schaffen und die Kosten anschließend nur auf die Bewohner umlegen, die tatsächlich entstanden sind. Dann würde die Miete auf diesen Flächen über die Jahrzehnte nicht steigen, sondern im Gegenteil immer billiger.“
Potenzial für genossenschaftliches Wohnen sieht der Architekt auch in der gehobenen Mittelklasse. Menschen, „die sich vielleicht eine Wohnung kaufen könnten, die aber auch sagen würden: Wenn ich weiß, dass ich ein lebenslanges Wohnrecht bekomme und dafür mal in einer größeren, mal in einer kleineren Wohnung wohne, dann integriere ich mich in ein soziales System. Und dann investiere ich auch das Geld, das ich sonst in einen Wohnungskauf gesteckt hätte, in eine solche Gemeinschaft wie eine Genossenschaft.“
Viel Hoffnung, dass für solche gemeinwohlorientierten Maßnahmen in Berlin die richtigen Weichen gestellt werden, hat Roswag-Klinge jedoch nicht. „Ich glaube, es gäbe auch da viel mehr Leute, die stärker in die Transformation gehen würden, wenn man ihnen den Raum dazu geben würde. Aber dazu muss der politische Wille da sein. Im Moment will das Land Berlin die billigste Errichtung von Wohngebäuden.“