Das Programm

Freitag, 25. September ab 19 Uhr:
Podiumsdiskussion: „Die Rolle der Wohnungsgenossenschaften auf dem Weg zu einer sozialen Wohnungspolitik“ (Livestream)

Wohnungsgenossenschaften als Selbsthilfeorganisationen der Mitglieder können eine echte Alternative zu profitorientierten Immobilienunternehmen sein. Jedoch schöpfen sie ihre Potenziale bisher viel zu wenig aus. Wie können sie einen Beitrag zur sozialen Wohnraumversorgung mit bezahlbaren Mieten leisten und was könnte die Berliner Politik und Verwaltung zur Hebung genossenschaftlicher Potenziale beitragen? Darüber diskutieren:

Bea Fünfrocken

Elektrikerin und Reparaturhandwerkerin
XENION (psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte) e.V., Projektstelle Wohnraum für Geflüchtete
Aufsichtsrätin der WBG „Am Ostseeplatz eG“
Mitgründerin der Genossinnenschaft Schokofabrik eG (dort 10 Jahre im Ausichtsrat)

Andrej Holm

Stadtforscher (Humboldt Universität)

Werner Landwehr

Mitgründer und Vorstand DIESE eG
Vorstand und Geschäftsführung Forum Kreuzberg
2008 – 2019 Leiter GLS Bank Berlin
Mitarbeit diverse NGO

Moderation: Elisabeth Voß

Die Veranstaltung wird als Livestream durchgeführt. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Alle Informationen zum Livestream finden Sie hier.

Mitdiskutieren ist möglich! Fragen und Kommentare können über die Mail-adresse genosssenschaftstag@genossenschafter-innen.de oder über Telefon (01520-2579405) eingereicht werden.

Samstag, 26. September 12 – 14 Uhr:
Die Workshops

Die Veranstaltungsorte werden wir demnächst hier veröffentlichen. Die Workshops sind kostenfrei. Wegen der Coronaregeln sind die Teilnehmer*innenzahlen für die Workshops begrenzt. Wir bitten um Verständnis, dass nur angemeldete Interessent*innen teilnehmen können.

Zur Anmeldung schicken Sie bitte eine email mit Angabe des Namens, der email-Adresse und des gewünschten Workshops an: info@genossenschafter-innen.de

Sie erhalten eine Teilnahmebestätigung sowie Informationen zum Ort der Veranstaltung. Ohne diese Bestätigung ist eine Teilnahme leider nicht möglich. Außerdem weisen wir schon jetzt darauf hin, dass wir aufgrund der Pandemie-Regeln persönliche Daten der Teilnehmenden erfassen und vier Wochen aufbewahren müssen.

Workshop 1: Inwieweit verbinden Wohnungsgenossenschaften ihr wirtschaftliches Handeln mit sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft?

Der Workshop wird gemeinsam vorbereitet und durchgeführt von Bea Fünfrocken (XENION Wohnraum für Geflüchtete), dem AK Wohnungsnot (obdachlose Menschen) und Hestia Wohnraumversorgung (für Frauen die von häuslicher Gewalt betroffen sind). Welche Erfahrungen machen sie mit Wohnungsvermittlungen in Wohnungsgenossenschaften, wo gibt es strukturelle Zugangsbarrieren seitens der Wohngenossenschaften? Welche Diskussionen kennen Mitglieder in ihren eigenen Wohnungsgenossenschaften zur Wohnungsvergabe? Ziel ist, die Diskussion und Erarbeitung von Vorschlägen wie den Vorbehalten seitens der Wohnungsgenossenschaften kreativ begegnet werden kann.

Moderation: Bea Fünfrocken

Workshop 2: Demokratie in Genossenschaften: Anspruch und Wirklichkeit

Genossenschaften gelten als grundsätzlich demokratisch. Aber wie sieht es in der Wirklichkeit damit aus? Worüber können die Mitglieder und deren Vertreter*innen wirklich entscheiden? Hierüber soll es Informationen und einen Austausch geben. Wir werden auch dabei die Satzungen von Genossenschaften und die Empfehlungen des GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.) kritisch unter die Lupe nehmen.

Moderation: Thomas Schmidt

Workshop 3: Genossenschaften und stadtpolitische Bewegung(en)

Die Auseinandersetzungen um den Mietendeckel in 2019 haben zu einer Polarisierung in den Genossenschaften geführt. Während Dachverbände und viele Vorstände Seit an Seit mit der Immobilienwirtschaft gegen den Deckel mobilisierten, kam aus der Mitgliedschaft Widerspruch in mehreren offenen Briefen, kritische Genossenschaftsmitglieder und Netzwerke gingen gemeinsam mit den mietenpolitischen Initiativen für den Mietendeckel und für eine solidarische Wohnungspolitik auf die Straße. Wie können diese zarten Ansätze von Zusammenarbeit vertieft werden? Was können diese Genossenschafter*innen von den mietenpolitischen Bewegung lernen? Welchen Beitrag können sie leisten für eine solidarische Wohnungspolitik? Darüber wollen wir in diesem Workshop mit
Vertreter*innen stadtpolitischer Initiativen diskutieren.

Moderation: Ralf Hoffrogge, Günter Piening

Praxisworkshop 4: Organizing in Genossenschaften: Wie aktivieren und vernetzen wir die Mitglieder in unseren Genossenschaften?

Es gibt mittlerweile viele in den unterschiedlichen Genossenschaften, die aktiv werden und sich vernetzen wollen. Dabei ist es jedoch oft unklar, wie man so eine Vernetzung und Aktivierung in der eigenen Genossenschaft angehen kann. Der Workshop soll einige praxisnahe Vorschläge hierzu aufzeigen. Damit hängt oft auch die Frage eng zusammen, was man mit der Organisierung der Genossenschaftsmitglieder erreichen will und kann. Was sinnvolle Ziele sind und was sich eher schlechter realisieren lässt, soll ebenso Teil des Workshops sein.

Moderation: Heiner Koch, Rupay Dahm

 


Das für 15 Uhr geplante Open-Air-Abschlusstreffen fällt wegen Regen aus.
Dafür gibt es ein Folgetreffen am 21. Oktober um 19 Uhr. Der Ort wird noch bekannt gegeben.

 

Es ist soweit: Alternativer Genossenschaftstag
am 25. und 26. September

Demokratie in Genossenschaften und die Rolle der Genossenschaften für eine soziale Wohnungspolitik sind Schwerpunktthemen des "Alternativen Genossenschaftstags" am 25. und 26. September. Bei der Auftaktveranstaltung am 25.9. diskutieren Bea Fünfrocken (Xenion), Werner Landwehr (DIESE eG) und der Stadtforscher Andrej Holm über "Die Rolle der Wohnungsgenossenschaften auf dem Weg zu einer sozialen Wohnungspolitik “. In den Workshops am 26.9. werden Themen wie die Überwindung undemokratischer Strukturen in Wohnungsgenossenschaften oder die Zusammenarbeit zwischen Mieter*innenbewegung und Genossenschaften behandelt. Ziel des Alternativen Genossenschaftstages ist es, die Werte der ursprünglichen Genossenschaftsbewegung - Selbstverwaltung und Solidarität - wieder zur Richtschnur der Wohnungsgenossenschaften zu machen und stärker in die Öffentlichkeit zu bringen.

Bitte beachten: Das für Samstag um 15 Uhr geplante Open-Air-Abschlusstreffen in der Admiralstraße fällt wegen Regen aus.
Dafür gibt es ein Folgetreffen am 21. Oktober um 19 Uhr. Der Ort wird noch bekannt gegeben.

WIE WEITER?- Ein paar Stichworte zur Diskussion

Hilde und Günter haben eine Bestandsaufnahme und ein paar Ideen für die Weiterarbeit zusammengetragen. Das Papier könnte als Diskussionsgrundlage für den 20.10. dienen. Bitte zum Ergänzen und Erweitern die Kommentarfunktion nutzen oder eigenen Beitrag einstellen. ZUM BEITRAG

Appell: Mehr „Lompscher“ in der Stadtentwicklungspolitik

Nach dem Rücktritt von Katrin Lompscher haben sich verschiedene Initiativen aus der Mietenbewegung für „Kontinuität und Zuspitzung“ in der Berliner Wohnungspolitik ausgesprochen. In einer Stellungnahme fordern sie die Fortsetzung des mieter*innenfreundlichen Kurses der ehemaligen Senatorin für Stadtentwicklung und den Ausbau der Kommunikation mit stadt- und mietenpolitisch Aktiven. Die Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus, die Verpflichtung der Landeswohnungsunternehmen auf Mietenbegrenzung, Vorkaufslösungen, der Schutz des lokalen Gewerbes und nicht zuletzt eine Ausweitung der Mieter*innenbeteiligung sind Aufgaben, die beharrlich auch gegen den Widerstand der Immobilienwirtschaft fortgeführt werden müssen.

Auch DIE GENOSSENSCHAFTER*INNEN haben die Stellungnahme unterzeichnet und machen damit deutlich, dass soziale Stadtentwicklungspolitik ein gemeinsames Interesse von Mieten-Initiativen und vielen Mitgliedern aus Wohnungsgenossenschaften ist.

Der genaue Wortlaut der Stellungnahme und die Liste der Unterstützer*innen ist hier zu finden: https://www.bizim-kiez.de/blog/2020/08/11/stellungnahme-nach-ruecktritt-katrin-lompscher/

Der Mietendeckel wirkt – auch bei 1892

Der Vorstand der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 gehörte im letzten Jahr zu den lautesten Gegnern des Mietendeckels und hatte über seine Tochter Gilde Heimbau die Plakatkampagne der Marketinginitiative Genossenschaften e.V. („die mit den Bauklötzchen“) mit angeschoben. Nun legte er in seiner Mitgliederzeitung eine erste interessante Bilanz des Mietendeckels vor: Für ca. 1200 Wohnungen mussten die Nutzungsentgelte gesenkt werden. Die finanzielle Belastung für die Bewohner*innen sank um rund 30.000 €/Monat. Wir zitieren: „Es fallen 5700 Wohnungen unter den Anwendungsbereich des MietenWoG. Bei 956 Wohnungen, die von Juli 2019 bis Februar 2020 eine Erhöhung der Dauernutzungsgebühr erhielten, wurden die Mieten reduziert, insgesamt um 21.568,96 € monatlich. (…) 257 Wohnungen (sind) von einer überhöhten Miete – der sogenannten „Wuchermiete“ – betroffen, diese werden dann aktiv um insgesamt 9.370,53 €/Monat abgesenkt.“

(Quelle: 1892 aktuell).

Mehr Möglichkeiten für Genossenschaften beim Vorkaufsrecht

Genossenschaften sollen bessere Bedingungen für den Kauf von Häusern bekommen, für die das Vorkaufsrecht geltend gemacht wurde. Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, kündigte an, dazu demnächst Gespräche mit Genossenschaften, Bezirken und dem Senat aufzunehmen.

„Genossenschaft statt Aktiengesellschaft“ – Protest eines Mieters der vom Verkauf bedrohten Häuser auf der Mietendemo am 20.6.

Hintergrund sind die Erfahrungen, die mit dem geplanten Verkauf von 23 Häusern an die Deutsche Wohnen AG gemacht wurden. Um den Verkauf für die 16 Häuser abzuwenden, die im Milieuschutzgebiet liegen, hatten drei Bezirke das Vorkaufsrecht geltend gemacht. Schmidt: “Wir haben ein Gewitter an Solidarität und Unterstützung erlebt. Die Mieter*innen haben sich für das Vorkaufsrecht eingesetzt und viele Genossenschaften waren interessiert, Häuser zu übernehmen. Am Ende haben drei Genossenschaften für den Erwerb mehrerer Häuser zur Verfügung gestanden. Doch wir haben auch gemerkt, dass wir die Verfahren für genossenschaftlichen Erwerb noch verbessern müssen. Daher werden wir eine Auswertung der Ereignisse vornehmen und Bezirke, Senat und Genossenschaften zu einem Treffen einladen, um über notwendige Rahmenbedingungen zu sprechen.”

Letztendlich hat die DW die 23 Häuser doch bekommen. Die Drohung mit dem Kauf der Häuser durch Genossenschaften und die WBM führte aber immerhin dazu, dass der inzwischen in den DAX aufgestiegene Aktienkonzern eine weitreichende Abwendungsvereinbarung unterschrieb, mit der das Unternehmen für die Dauer von 20 Jahren auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verzichtet. Auch darf die DW nur solche energetischen Modernisierungen durchführen, zu denen sie gesetzlich verpflichtet ist oder die vom Bezirk allgemein durch Richtlinien zugelassen werden. Diese Vereinbarung ist im Falle eines Weiterverkaufs auch von dem Rechtsnachfolger einzuhalten.

Die Mieter*innen der Häuser, die mit vielen kreativen Aktionen für den Kauf der Häuser durch Genossenschaften und städtische Wohnungsgesellschaften gekämpft haben, sind nicht wirklich glücklich: „Wir wissen, dass die Abwendungsvereinbarung 16 Häusern eine relative Sicherheit gewähren kann“, heißt es in einer Erklärung. Doch das politische Ziel, „mit der Kommunalisierung der Häuser den Weg zu ebnen, um den Immobilienspekulanten künftig den Anreiz des Ankaufs in Berlin zu nehmen“, konnte nicht erreicht werden.
(Quelle: Pressemitteilung des Bezirks v. 10.7. : HIER)


Zum Vorkaufsrecht hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein Informationsblatt in 6 Sprachen veröffentlicht: Hier

„Die Genossenschafter*innen“ auf der Straße

„Shutdown Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle“- dafür gingen am 20. Juni rund 1500 Menschen auf die Straße. In strömendem Regen ging es vom Potsdamer Platz zum Jugendzentrum Drugstore, das der Gentrifizierung zum Opfer gefallen ist. Es war auch eine Premiere für DIE GENOSSENSCHAFTER*INNEN – denn erstmals trat die Initiative mit einem eigenen Banner auf. (mehr …)

Genossenschafter*innen vor Ort

Die Aktionen gegen die Politik des BBU und der Genossenschaftsvorstände haben 2019 zu vielen neuen Kontakten zwischen Genossenschafter*innen geführt. Schnell entstand der Wunsch, neben der „großen“ Vernetzung durch den Initiativkreis auch eine Möglichkeit zum konkreten Austausch über Probleme, Konflikte und Erfolge in der Auseinandersetzung um die Demokratisierung verkrusteter Strukturen in den Genossenschaften zu organisieren. So kam es zu der Idee, sich jeweils bei einer anderen Genossenschaft zu treffen und die jeweilige Situation vor Ort kennen zu lernen. Im Laufe der Zeit „wandern“ die Teilnehmenden so durch die Berliner Genossenschaftslandschaft.

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„Die Wohnungsnot ist gewollt“

Tut uns leid, aber hierauf haben nur registrierte Mitglieder der Initiative Zugriff. Wenn Sie bei uns mitarbeiten möchten, senden Sie bitte ein email an info@genossenschafter-innen.de

Gemeinwohlorientierung und Genossenschaften – Anmerkungen zum neuen „Mieterecho“

Das Titelbild der neuen Ausgabe des „Mieterechos“ zeigt einen sonnenumstrahlten, freundlichen Möckernkiez. Im Blatt selbst aber geht es sehr unfreundlich zur Sache. Sind Genossenschaften gemeinwohlorientiert und sollen sie gefördert werden, fragt die Berliner Mietergemeinschaft, und kommt zu dem klaren Ergebnis: Nein.

Die Autor*innen führen im wesentlichen vier Gründe an, um ihre Thesen zu belegen:
1. Genossenschaften sind nach dem Gesetz den Interessen der Mitglieder verpflichtet, nicht dem Gemeinwohl.
2. Die sozialen Barrieren in den neuen Genossenschaften sind sehr hoch, die Nutzungsentgelte liegen zwar unter den Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt, aber die Eigenanteile, die die Mitglieder aufbringen müssen, liegen durchweg über 400€/qm. Geringverdienende haben keine Chance.
3. Die Genossenschaften sind mit Fördermitteln in den letzten Jahren aufgepäppelt worden, ohne eine entsprechende Gegenleistung für das Gemeinwohl/die soziale Wohnungsversorgung zu bringen.
4. Die Genossenschaften schütten lieber Gewinne aus und hübschen ihre Anlagen auf, statt in den notwendigen Neubau zu investieren.

Fazit des Mieterechos: Bei dem aktuellen „Hype“ um die Genossenschaften handelt es sich um nichts anderes als grüne Klientelpolitik.

Was ist von den Argumenten zu halten?

1. Genossenschaftsbauten gehören keinem Investor, sondern der Gesamtheit der Mitglieder. Sie sind nicht auf die Erzielung eines möglichst hohen Gewinns ausgerichtet, das bedeutet aber in der Tat nicht, dass sie von vornherein Teil der Gemeinwohlökonomie sind. Zweck der Genossenschaften, so bestimmt es das deutsche Genossenschaftsgesetz, ist die Förderung der Mitglieder – und nicht die Förderung einer – undefinierten – Allgemeinheit.
Wenn in den letzten Jahren (Wohnungs-)Genossenschaften stärker als Teil der Gemeinwohlökonomie wahrgenommen werden, dann sind dafür zwei Entwicklungen maßgeblich verantwortlich:
– Die Verwerfungen des Immobilienmarktes v.a. in den Großstädten, die insbesondere bei den Neuverträgen zu explodierenden Mieten und zur Verdrängung von Mietergruppen bis hin in die Mittelschicht führen, haben grundsätzliche Fragen der Funktionsweise eines privatkapitalistisch organisierten Wohnungsmarktes aufgeworfen. Das Sichtbarwerden der Folgen einer weitgehend ungehemmten Marktorientierung hat die Suche nach Alternativen forciert.
– Idee und Praxis des Genossenschaftswesens als „Dritter Weg“ gewinnen vor diesem Hintergrund eine neue Bedeutung. Die ursprünglichen Grundwerte der Genossenschaften – Solidarität, Selbsthilfe und Selbstverwaltung sowie Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft – werden bei vielen Menschen (nicht nur Genossenschaftsmitgliedern) wieder stärker präsent. Diese Renaissance des Genossenschaftsgedankens ist in vielen Bereichen zu beobachten – lokales Geld, Sozial- und Gesundheitswesen, Energie und Wasser, lokal-regionale Versorgung mit guten Lebensmitteln, neue Wohnformen usw.
Gerade neue Genossenschaften fühlen sich diesen Zielen verpflichtet und haben die Werte der Gemeinwohlökonomie – Zugang, Selbstverwaltung, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, Gleichheitsrechte – in ihre Gründungsstatuten eingeschrieben. Aber auch in den Altgenossenschaften werden die Rufe nach der Wiederbelebung dieser Genossenschaftswerte lauter.

2. Miete und soziale Barrieren: Während die Nutzungsentgelte in den Altgenossenschaften meist noch deutlich unter dem Marktniveau liegen, sind genossenschaftliche Neubauwohnungen nur mit Entgelten zu haben, die sich knapp unterhalb der Neubaumieten im freifinanzierten Wohnungsmarkt bewegen. Dieses hat in den neuen Genossenschaften zu einer deutlichen „Mittelschichtsorientierung“ geführt. Hier sollten aber Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden. Während die städtischen Wohnungsgesellschaften in den letzten Jahren durch Anhebung des Kapitalstocks um mehrere 100 Mio. Euro,  durch Grundstücke und direkte Subventionen in die Lage versetzt wurden, preisgünstig zu bauen und zu vermieten, mussten die meisten Genossenschaften sich über den Kapitalmarkt selbst finanzieren. Die Möckernkiez eG am Gleisdreieck-Park, die mit Nutzungsentgelten von 11€ im Durchschnitt und einem Anteil von 900€/qm in einem Beitrag im Mieterecho als Negativbeispiel herhalten muss, musste sich ohne jeden städtischen Zuschuss finanzieren. Die einzige Förderung war eine KfW-Förderung aufgrund des Energieeffizienzstandards, die jedem Bauherren zugestanden hätte. Dass bei einer Vollfinanzierung über den Kapitalmarkt keine „Sozialmieten“ zu erreichen sind, braucht keine große Rechenleistung.

3. Insofern ist es einfach falsch, dass die Genossenschaften mit Fördermitteln aufgepäppelt worden sind. Erst in den letzten Jahren hat es eine kleine Änderung der städtischen Politik gegeben, die auch schon erste Wirkung zeigt. So sind durch die Kombination mehrerer Fördermöglichkeiten – städtische Mittel, Stiftungsgelder, Solidarfonds – in einigen neuen Genossenschaften große Wohnungsanteile zu Preisen zu haben, die auch das Mieterecho für akzeptabel halten würde.

4. Diese Mittel gibt es auch nicht zum Nulltarif, sondern sind an WBS-Belegungsrechte gebunden. Grundstücke werden i.d.R. in Erbbaupacht vergeben. Aber, und hier legt das Mieterecho zu Recht den Finger in die Wunde: Diese Mittel werden von den Genossenschaften kaum abgerufen. Manche Gründe sind nachvollziehbar. So ist es gerade für neue Genossenschaften kaum möglich, ohne Absicherung durch ein Grundstück an die notwendigen Bank-Kredite heranzukommen. Hier wären Bürgschaftsmodelle notwendig, um Erbbau praktikabel zu machen. Andererseits haben gerade die Altgenossenschaften in den letzten Jahren fette Finanzpolster angesetzt, die einen Neubau zu den Bedingungen der Senatsförderung auch in großem Umfang möglich machen würde. Wie sich auch in den Auseinandersetzungen um den Mietendeckel gezeigt hat, lehnen die meisten Genossenschaftsvorstände jede Förderung, die mit staatlichen Vorgaben wie Erbaurecht und WBS-Quoten verbunden ist, mit der Begründung ab, dieses sei ein ungebührlicher Eingriff in ihre Rechte. Ohne Förderung aber sind sie nicht in der Lage, Neubauwohnungen zu akzeptablen Preisen anzubieten. Auch genossenschaftsinterne Solidarmodelle, in denen Besserverdienende kollektiv eine Wohnung subventionieren, werden daran grundsätzlich nichts ändern.

Fazit: Genossenschaften sind nicht von vornherein gemeinwohlorientiert, sie müssen dies in der Praxis nachweisen. Hinsichtlich der Neubaufrage ist derzeit der Lackmustest, inwieweit Genossenschaften bereit sind, die Bedingungen der Fördermittelvergabe zu akzeptieren, verpflichtend preisgünstigen Wohnraum zu schaffen und nicht nur die Altbestände zu verwalten.

Bei der weiteren Diskussion um die Gemeinwohlorientierung von Genossenschaften wird es aber auch um eine Klärung der Frage gehen, was gemeinwohlorientierter Wohnungsbau überhaupt ist. Die Autor*innen des Mieterechos haben einen strikt monofaktoriellen Ansatz: Gemeinwohl = niedrige Miete. Ob diese Engführung gerechtfertigt ist, ist zumindest infrage zu stellen. Auch Kriterien wie Partizipation und Selbstverwaltung, kollektive Formen des Zusammenlebens, Entwicklung ökologischer Baustandards usw. sind Teil der Gemeinwohlorientierung. Verfahren wie die Erstellung einer verschiedene Kriterien berücksichtigenden Gemeinwohlbilanz, in der selbstverständlich auch der soziale Zugang ein gewichtiger Faktor sein muss, böten hier einen differenzierteren Blick auf die Gemeinwohlorientierung einer Genossenschaft. Dieses festzustellen, relativiert jedoch nicht die zentrale Aufgabe von Genossenschaften, preiswerten Wohnraum auch beim Neubau zu schaffen.

Günter Piening